Fasten bedeutet nicht nur Verzicht, sondern es bietet Gelegenheit, Dinge bewusst wahrzunehmen, Gewohntes zu hinterfragen und den eigenen Horizont zu erweitern. Heute stellt Sina Kemnitz von Coburg Stadt & Land ihr Fokusthema „Stress fasten” vor.

Lustlos essen

Fleisch fasten
Jürgen Scheibe, Lichtenfelser Wochenblatt

Ich wusste ja, was mich erwartet: Essen ohne Genuss! Eine Woche auf Fleisch verzichten ist machbar. Auch sechs Wochen (letztes Jahr habe ich zwölf Wochen durchgehalten). Aber es fehlt einfach etwas: Der Geschmack, der Biss und mein Appetit. Es gibt sie doch, die Fleischeslust. Immerhin musste ich noch nicht zu irgendwelchen Fleisch-Fälschungen greifen. Fisch und Kohlrabi tun’s bislang noch.

Neue Grenzen

Essen ohne Tierleid
Jessica Rohrbach, Bad Kissinger Anzeiger

Wo fängt Tierleid an? Bei der Haltung? Beim Trennen von Kuh und Kalb? Oder bei der Tötung an sich, auch wenn das Tier ein schönes Leben und einen schnellen Tod hatte? Ich habe in den letzten Wochen meine Grenzen neu gesteckt und Milchprodukte vorerst von meinem Speiseplan gestrichen. Fleisch vom Freilandhof oder Jäger nebenan hingegen bleiben drauf, ebenso wie Eier von glücklichen Hühnern.

Lust statt Frust

Hula Tanz und Ukulele lernen
Tamara Keller, Rhön Grabfeld Anzeiger

Strebermäßig habe ich schon ein paar Tage vor der Fastenzeit begonnen. Die Ukulele war gekauft, der Online-Tanzkurs freigeschaltet – ich konnte es nicht erwarten, mich auszuprobieren. Mit meinem Songbook habe ich gelernt, Tabulatur zu lesen und erste Akkorde und Rhythmen zu spielen. Der Hula-Kurs startete ebenso sanft mit ersten Grundschritten und -bewegungen. Bei beidem habe ich, wenn’s nicht gleich klappt, kurze Frustmomente, danach macht es mir wieder Spaß und ich freue mich, mehr zu lernen.

Schlau hören

Neues lernen
Jessica Rus, Kulmbacher Anzeiger

Weil ich, wie meine Kollegin Sina, eher gestresst durch die Welt laufe, ist Lexika durchwälzen keine Option, um mein Allgemeinwissen zu verbessern. Eine Freundin hat mir für mein Fastenvorhaben die App „Gaiali“ empfohlen. Hier gibt’s Bildung in gesprochener und kurzweiliger Form – es ist eine Art „Wissenspodcast“. Ich bin jetzt schon süchtig! Das lässt sich perfekt in meinen Alltag integrieren. Ein kleiner Wissens-Espresso während dem Duschen, auf dem Weg zur Arbeit, oder während dem Kochen…

Masken!

Müll sammeln
Lukas Pitule, Forchheim und Erlangen-Höchstadt Stadt & Land

So viele Masken! Es ist schon verrückt, ich sammel fast nur Masken. Verlieren die Leute diese aus den Taschen – oder werfen sie diese einfach so auf den Boden? Ich bin mir fast sicher, dass wir noch in 50 Jahren irgendwo Masken auf dem Boden finden. Egal, die Tüten füllen sich, die Straßen werden etwas sauberer. Das Nervige: den Müll anschließend zu trennen.

Griff ins Leere

Bildschirmzeit fasten
Nina Grötsch, Report Kitzingen

Puh! Man merkt erst, wie oft man zum Handy greift, wenn man es nicht mehr nutzt. Wie oft ich die Woche wohl nach rechts ins Leere getastet habe, wenn ich auf dem Sofa saß und im TV die Werbung begann? Oder wie oft ich erfolglos in meiner Jackentasche kramte, weil ich halt grad nichts anderes mit mir anzufangen wusste? Ich musste mich echt dran gewöhnen. Aber wissen Sie was: Es gefällt mir!

Sport statt TV

Fernseher und Netflix fasten
Pia Nowak, Bamberg Stadt & Land

Natürlich habe ich es nicht geschafft, rechtzeitig vor der Fastenzeit die Serie zu beenden, die ich gerade geguckt habe. Ich hätte zu gerne gewusst, wie es weitergeht. Der Drang hat nach ein paar Tagen aber stückchenweise nachgelassen. Zum Glück war das Wetter zu Beginn der Fastenzeit unerwartet gut. So tobte ich mich beim Sport aus, sodass ich abends nur die Wahl hatte, erschöpft ins Bett zu fallen.

Anti-Stress-Yoga

Stress fasten
Sina Kemnitz, Coburg Stadt & Land

In die Fastenzeit gestartet bin ich zunächst mit einem Yoga-Kurs, der Körper und Seele in Einklang bringen soll. Denn beim Yoga-Training schüttet das Gehirn den Botenstoff Gamma-Aminobuttersäure aus. Dieser hilft dabei die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn zu senken und Stresshormone zu mindern. Konzentriert man sich dabei noch auf die Wechselatmung, entspannt sich der Geist somit fast automatisch.

Fokusthema von Sina Kemnitz: 

Stressmonsterzähmen für Anfänger – Ursachen für das eigene Stresserleben erkennen

„Sorry für die späte Antwort, aber ich war im Stress!“ – wer von uns hat nicht auch schon einmal solch eine WhatsApp-Nachricht bekommen oder sogar selbst verschickt? Jeder kennt doch diese Situationen: Auf der Arbeit muss dringend heute noch etwas fertig werden; wir versuchen im Anschluss noch rechtzeitig zum Zahnarzttermin zu kommen und der dauert natürlich viiel zu lange; die Großeltern rufen zwischendurch an und fragen, wann man sie endlich mal wieder besucht; noch schnell auf dem Heimweg zum Einkaufen und ach ja – ein Geburtstagsgeschenk für das Patenkind besorgen (fast vergessen)! Zuhause wartet schon der Wäscheberg und das Abendessen will ja auch noch gemacht werden… So, endlich geschafft – jetzt nur noch gemütlich auf die Couch. Im TV flimmern Bilder vom Ukraine-Krieg, Nachrichten über steigende Corona-Zahlen und Benzinpreise folgen… Puh, wo soll das alles denn noch hinführen?

Ja, wir sind alle gestresst – manche mehr, manche weniger. Aber wie kommt man aus diesem Hamsterrad wieder heraus? Ist das überhaupt möglich? 7 Wochen den Stress fasten – das habe ich mir fest vorgenommen. Aber wie gehe ich die Sache nun richtig an? Möglichkeiten zur Stressreduktion gibt es ja viele, aber zunächst wollte ich die Ursache meines persönlichen Stresses herausfinden.

 

Stressmonster aufspüren

„Nicht das Leben selbst stresst uns, sondern immer eine konkrete Situation, die Stress in uns auslöst“, so heißt es auf der Webseite einer sogenannten Stressberaterin im Internet. Sie empfiehlt zunächst eine selbstständige Stressanalyse durchzuführen, um die eigenen Stressauslöser genau zu bestimmen. Dazu sollen die Lebensbereiche Arbeitsleben, Partnerschaft, familiäre Beziehungen, Organisation im privaten Alltag, die Geldsituation, Persönlichkeit und Gesundheit betrachtet werden. Aus jedem Bereich sollen dann die einzelnen „Stressoren“ so spezifisch wie möglich beschrieben werden, um an diesen Punkten mit der Stressbewältigung ansetzen zu können. All das habe ich getan, die einzelnen Stressfaktoren bestimmt und auch ohne bei einer professionellen Stressberatung gewesen zu sein, weiß ich nun: Ich bin selbst das Stressmonster!

Ich stresse mich selbst

Die bekannte Poetry-Slammerin Julia Engelmann schreibt in ihrem Gedicht Stressed out: „Ich bin frei, gesund und jung, doch ich steh nur noch unter Druck, nichts, was ich mache, ist genug, und ich frage mich warum. […] Wir vergleichen uns ständig, wollen höher, schneller, weiter, sind getrieben und ängstlich, wollen alles, nur nicht scheitern.“

Dass ich mich am meisten selbst stresse, war mir unterbewusst eigentlich schon lange klar. Denn ich neige gerne zum Perfektionismus, will alles sehr ordentlich und genau machen, alle Aufgaben pünktlich erledigen und möglichst nichts verpassen. Dabei stecke ich die Ziele manchmal selbst zu hoch, sodass ich sie gar nicht erreichen kann. Hier muss ich auf jeden Fall ansetzen und mir selbst mehr Pausen gönnen. Das heißt weniger auf einmal vornehmen und vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch mal „Nein“ sagen.

Auf der anderen Seite gibt es auch zahlreiche Angewohnheiten, die mich unbewusst stressen – so zum Beispiel mein morgendlicher Wecker. Bis zu 7 Mal Klingeln im Fünfminutentakt schaffe ich locker, bevor ich mich dann endlich aus dem Bett erhebe – um dann entsetzt festzustellen, dass ich nun 30 Minuten weniger Zeit habe. Somit starte ich schon gestresst in den Tag, weil ich nun die verlorene Zeit schnell wieder rausholen muss. Und das endet dann meist in einem 5-Minuten-im Stehen-Müsli-Reinschlingen.

Gewohnheiten ändern

Viele kleine Dinge können in der Summe großen Stress auslösen. Daher versuche ich in den nächsten Wochen meine Gewohnheiten zu ändern. Das bedeutet für mich zunächst, dass ich mit dem ersten Weckerklingeln aufstehen werde. Zugegebenermaßen hat das in der ersten Woche noch nicht ganz funktioniert, aber ich arbeite weiterhin daran.

Als nächsten Schritt möchte ich bewusster Essen. Das heißt nicht mehr „nur so nebenbei“ essen und nicht immer hastig alles hineinschlingen. Einfach mal bewusst dafür Zeit nehmen, Essenspausen konkret einplanen und dann auch nichts anderes tun. Auch im Bereich Fernsehen und Social Media will ich kürzertreten. Die ständige Dauerflut von meist unwichtigen Inhalten, aber auch negativen und angsteinflößenden Nachrichten stresst mich. Vor allem direkt vor dem Zu-Bett-Gehen sollte man auf die Flimmerkästen verzichten, da das Gehirn dann nicht so schnell abschalten kann. Daher gibt’s für mich in Zukunft mehr Bücher, mehr Musik und dazu eine schöne Tasse Tee – das entspannt und lässt den Stress abfallen.