In seinem Buch „Lost & Dark Places Franken“ bringt der aus Stadtsteinach stammende Autor Benedikt Grimmler Touristen zu dunklen, verlorenen und verlassenen Orten in Franken. Er listet in seinem Reiseführer auch sogenannte „Lost Places“, aufgegebene, im Verfall befindliche Orte, von denen eine besondere Atmosphäre ausgeht.

Wohl jeder Kulmbacher kennt die Legende der Weißen Frau, die auf der Plassenburg herumgeistern soll. Gräfin Kunigunde von Orlamünde wurde von ihrem Geliebten mit der Begründung „Vier Augen stehen zwischen uns“ zurückgewiesen. Sie dachte, dabei handle es sich um ihre Kinder und brachte beide um, ein Irrtum, denn der schöne Burggraf hatte seine Eltern gemeint. Im kürzlich erschienenen schaurig-schönen Reiseführer „Lost & Dark Places Franken“ darf die Legende der Weißen Frau natürlich nicht fehlen.

Als Ausflugsziel listet Autor Benedikt Grimmler die Ritterkapelle im ehemaligen Kloster von Himmelkron auf, denn angeblich rutschte Kunigunde aus Reue auf ihren Knien dorthin. Kurz vor ihrem Ziel, nahe des Neuenmarkter Ortsteils Schlömen, starb sie. Genau an der Stelle befindet sich nun eine Marter, ein verwittertes Steindenkmal.

„Sie müssen ihn nicht auf Knien entlangrutschen, aber Sie können den Weg der Weißen Frau von der Plassenburg zum Kloster Himmelkron gut erwandern – mit einem blauen M ist er bestens ausgeschildert“, schreibt Grimmler. Das ehemalige Kloster von Himmelkron gehört damit zu den sogenannten „Dark Places“, unheimliche, düstere Orte, die mit Sagen und Legenden verbunden sind.

Kupferberger Galgen

Noch interessanter wird es, wenn die schaurigen Geschichten auch noch wahr sind. Grimmler zitiert aus dem Tagebuch des berühmten Henkers Franz Schmidt einen Eintrag aus dem Jahr 1573: „Leonhardt Ruß von Ceyern, ein Dieb zu Stattsteinach, mit dem strang gericht. Ist mein ersts richten gewest.“ Bevor er die Stelle als Scharfrichter der Reichsstadt Nürnberg antrat, stand Schmidt im Dienst des Bamberger Fürstbischofs und reiste durch das Land, um die von sogenannten Halsgerichten gefällten Urteile auszuführen. Wahrscheinlich kam er dabei auch nach Kupferberg.

An der kleinen Sebastianskapelle beginnt der kurze Fußweg zum Galgenberg, wo ab Mitte des 14. Jahrhunderts „das Gestänge zum Einsatz“ kam. 2012 wurde der Holzgalgen als makabre Sehenswürdigkeit rekonstruiert, allerdings, wie Grimmler schreibt, in „Westernmanier“, denn die historischen Galgen der Region dagegen waren für gewöhnlich in Torform gestaltet: „Das weitaus stabilere Konstrukt trug den – oder die – Verurteilten in der Mitte.“

Ort mit großer Ausstrahlung

Der Autor weist auf den starken Kontrast des blutigen Zwecks zur Schönheit der Landschaft hin und wirft die Frage in den Raum, ob wohl den zum Tode Verurteilten noch einmal vor Augen geführt wurde, was sie hier aufgrund ihrer Missetat versäumten. „Dark Tourism“, übersetzt Katastrophentourismus, nimmt weltweit eine besondere Nische unter den Themenreisen ein. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Gegend um das ehemalige Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine. Wegen der Nuklearkatastrophe 1986 wurde die benachbarte Stadt Prypjat evakuiert und nie wieder besiedelt. Nach und nach wurden die Gebäude von der Natur wieder eingenommen, sodass eine einzigartige Kulisse entstanden ist. 2011 öffnete man das Gebiet für den Tourismus.

Auch in Grimmlers Katastrophentourismus-Guide für Franken gibt es einen „Ort mit großer Ausstrahlung“: In Großschloppen im Landkreis Wunsiedel suchte die Bundesregierung, unterstützt vom Freistaat Bayern, nach dem Zweiten Weltkrieg nach „Uran aus heimischer Quelle“. Da „die Alliierten die deutsche Atomforschung äußerst skeptisch beäugten“, wurde in Weißenstadt vordergründig ein Zinnerzbergwerk errichtet, in dem Uran abgebaut werden sollte, denn „das Vorhandensein von Radon und Uran im Fichtelgebirge war weithin bekannt“.
Obwohl bereits 1956 die Tarnung aufflog, blieb die Grube bis 1990 geöffnet und belieferte unter anderem den Forschungsreaktor in Garching. Mehr über diese Geschichte erfährt man heute im Weißenstädter Besucherbergwerk.

Industrie-Ruinen mit Charme

Grimmler listet in seinem Reiseführer auch sogenannte „Lost Places“, aufgegebene, im Verfall befindliche Orte, von denen eine besondere Atmosphäre ausgeht. Das müssen nicht immer adrette Burg- oder Kirchenruinen sein, auch Industrie-Ruinen wie die alte Malzfabrik in Maineck, die ehemalige Papierfabrik im Steinachtal oder der verfallene Gasthof Großrehmühle bei Marktleugast haben ihren Charme. Das Gut Hummendorf bei Untersteinach betitelt der Autor als „Balthasar Neumanns Albtraum“, denn der berühmte Baumeister, auf dessen Konto die Würzburger Residenz sowie die Wallfahrtskirchen Gößweinstein und Vierzehnheiligen gehen, wirkte auch am Bau des Ritterguts Hummendorf mit – „dessen heutiger Zustand dürfte ihm nicht gefallen“, schreibt der Autor.

Seine Klage scheint erhört worden zu sein, das Gut wird inzwischen renoviert. „Sehr zu meiner Freude“, kommentiert Grimmler. Grimmler ist in Kulmbach geboren und in Stadtsteinach aufgewachsen. Dort war er während seiner Schulzeit im Museum tätig, ehe er Germanistik, Anglistik und Amerikanistik in Konstanz und Wien studierte. Heute lebt er am Bodensee, hat aber den Bezug zu seiner Heimat nie verloren.

„In Stadtsteinach bin ich weiterhin oft und regelmäßig“, bestätigt er. Sein Heimatort findet regelmäßig in seinen Büchern mit fränkischem Schwerpunkt Erwähnung, „schließlich liegt mir meine Heimatstadt sehr am Herzen – und sie ist vielleicht nicht der Nabel der Welt, aber hat doch viel zu bieten“, erklärt Grimmler. Auch in „Lost & Dark Places“ kommt das Steinachtal in einem ganzen Kapitel zur Geltung. Es trägt den Titel „Natur und Verfall“. Benedikt Grimmler veröffentlichte bisher Reiseführer und Bücher zu historischen Themen.

„Das Interesse an verlorenen und dunklen Orten kommt wohl von einem gewissen Hang zum Morbiden, der sich einerseits aus der Liebe zu Gruselgeschichten und Sagen, andererseits aus einem schon immer vorhandenen Interesse an Ruinen aller Art speist“, erklärt er, der aus diesem Grund die Burgruine Nordeck früher wie heute als Ausflugsziel schätzt.

Text: Adriane Lochner
Bild: PR