Diabetes – die „Zuckerkrankheit“ – ist längst zur Volkskrankheit geworden. Die WHO rechnet damit, dass sie bis zum Jahr 2030 unter den sieben führenden Todesursachen zu finden ist
Die gute Nachricht zuerst: Niemand muss gänzlich auf Zucker verzichten. „Das Gehirn braucht Zucker, insbesondere Glucose, um zu funktionieren. Ein Drittel des täglichen Glukoseverbrauchs wird vom Gehirn benötigt. Deshalb hat jeder Mensch Lust auf Süßes und Zucker“, so Dr. Sigrun Merger – Chefärztin für Diabetologie am Regiomed Klinikum Coburg.
Doch wie so oft macht die Menge das Gift. Wenn der Körper mit zu viel Zucker überflutet wird, kann er nicht mehr damit umgehen. Überzähliger Zucker wird dann in Fett umgebaut und als Energiereserve gespeichert. Besonders im Bauchfett sind Zellen, die Entzündungsstoffe produzieren und viele Erkrankungen auslösen können – eine davon ist Diabetes.
Aber das bedeutet nicht, dass jeder der viel Süßes nascht, mit einer Diabeteserkrankung rechnen muss. Hier spielen zahlreiche andere Faktoren eine Rolle erklärt Dr. Merger: „Um Diabetes zu entwickeln, braucht man eine genetische Grundkonstellation, dazu gehört auch ein ungünstiges Ernährungsverhalten sowie ein schlechtes Bewegungsmuster. Diabetes Typ-2 wird dann begünstigt.“ Bei dieser Diabetesform haben die Betroffenen eine Insulinresistenz mit Hyperinsulinismus und relativem Insulinmangel. Das bedeutet: Das Insulinsignal in der Zelle ist gestört, der Insulinbedarf steigt, aber die Bauchspeicheldrüse kann ihn nicht decken. 90 Prozent aller Diabetespatienten leiden unter der Typ-2 Form, das sind in Deutschland etwa 8 Millionen Menschen.
Doch woher weiß ich, wie groß mein eigenes Risiko ist, Diabetiker zu werden? Dr. Sigrun Merger rät zuerst einmal in der eigenen Familie zu suchen: Leiden meine Geschwister, Eltern oder Großeltern an Diabetes? Dann besteht auch bei mir eine genetische Veranlagung. Meist beginnt die Erkrankung auch schon viel früher mit dem Metabolischen Syndrom. Das heißt, dass schon Jahre vorher eine oder mehrere der folgenden Störungen auftreten: eine Insulinresistenz, Übergewicht (vor allem im Bauchbereich), eine Fettstoffwechselstörung und/oder Bluthochdruck. Wer sich hier angesprochen fühlt, kann ganz einfach einen Risikotest auf den Seiten der Deutschen Diabetes Hilfe machen. Unter www.diabetesde.org/risikotest müssen lediglich zehn Fragen beantwortet werden.
Sollte der Test auf ein erhöhtes Diabetes-Risiko hinweisen, führt der nächste Weg zum Hausarzt. Dieser prüft dann mittels Screening Test und HOMA-Index (dieser untersucht das Verhältnis von Insulin zu Zucker), ob bestimmte Werte erhöht sind. Sind die Werte verändert, wird der Hausarzt den Patienten zum Diabetologen überweisen. Das Regiomed Klinikum Coburg verfügt zum Beispiel über ein spezialisiertes Diabetesteam, bestehend aus qualifizierten Ärzten sowie Diabetes- und Ernährungsberatern. Bei fortgeschrittenem Diabetes müssen dann oft Podologen, die Wundschwester, der Fuß-Chirurg, Augenarzt oder Nierenfacharzt hinzugezogen werden.
Deshalb ist das Wichtigste, die Krankheit frühzeitig zu erkennen oder besser gleich zu verhindern. „Der Diabetes erscheint schleichend. Viele Patienten merken erst sehr spät, dass sie ein Problem haben und dann überschlagen sich die Probleme häufig“, warnt Dr. Sigrun Merger. Durch einen gesunden Lebensstil kann zumindest das Risiko für eine Typ-2 Diabetes-Erkrankung minimiert und 50 Prozent der bereits Erkrankten behandelt werden. Eine gesunde und ausgewogenen Ernährung steht hier an erster Stelle: Süße Getränke wie Limo, Cola oder Säfte sollten vermieden werden – denn diese sind gefährlicher als süßes Essen.
Generell sind Mehrfachzucker, wie sie in Vollkornprodukten, Nudeln oder Kartoffeln enthalten sind, zu bevorzugen. Sie bestehen aus mindestens zehn Glucosemolekülen, die mehrfach aufgespalten werden müssen und so den Körper beständig mit Energie versorgen. Sie lassen den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen und sättigen lange, zudem liefern sie Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Das heißt je komplexer der Zucker, umso besser.
Beim Thema Zuckerersatz betont Dr. Sigrun Merger: „Der wichtigste Aspekt ist, dass man sich den Zucker etwas abgewöhnt. Alle Süßstoffe sind nur Krücken, um Kalorien einzusparen. Aber man sollte den süßen Geschmack generell reduzieren“
Die WHO empfiehlt Erwachsenen maximal 50 Gramm Zucker am Tag – sich daran zu halten ist schwierig, wenn man sich den Zuckergehalt unserer Lebensmittel einmal genauer anschaut. Daher engagiert sich die Deutsche Diabetesgesellschaft für eine Zuckersteuer auf Softdrinks und ein Werbeverbot für überzuckerte und hochkalorische Kinderlebensmittel. Der Deutsche Diabetesgipfel im November 2020 zeigte: Eine freiwillige Zuckerreduktion hat bei den Herstellern nur wenig bewirkt, hingegen funktioniert die Zuckersteuer in Portugal oder Großbritannien hervorragend.
Text: Sina Kemnitz
Bilder: PR