Wolfgang Heyder, Chef vom Veranstaltungsservice Bamberg, warnt eindringlich vor dem Zusammenbruch der Kulturbranche.

 

Wir stecken mitten in der vierten Welle, die Zahlen steigen unaufhörlich.  Um die Kontakte zu beschränken und so die vierte Welle zu bremsen, hat die bayerische Regierung Regeln entschieden: Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, 2G für körpernahe Dienstleistungen, Hoch-, Musik- und Fahrschulen und in der Gastro, Schließung von Schwankwirtschaften, Discos und Clubs, Absage von Weihnachtsmärkten, und vieles mehr.

Freizeiteinrichtungen, Messen, Kultur- und Sportveranstaltungen trifft es mit der 2G-plus-Regel und der Beschränkung, dass Veranstaltungen nur noch 25 Prozent der Zuschauer einlassen dürfen. „Das ist ein Fiasko“, so Wolfgang Heyder, Chef vom Veranstaltungsservice Bamberg.

Eine bedrohte Branche

Wolfgang Heyder sieht die gesamte Kulturbranche in Gefahr. Für ihn ist die 25-Prozent- und 2G-plus-Regelung eine Mogelpackung. „Bernd Sibler (Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Anm. d. Red.) und Markus Söder haben erst noch vor der Kamera verkündet, dass die Kulturbranche offenbleiben darf, dabei ist die aktuelle Vorgabe nichts anderes als eine Schließung.“

Nicht nur, dass sich Geimpfte und Genesene vom zusätzlichen Testaufwand abschrecken lassen und es sich zweimal überlegen würden, ob sie zu einer Veranstaltung gehen, auch die Wirtschaftlichkeit ist für die Veranstalter schlicht nicht gegeben. „Das ist ganz leicht auszurechnen: Es kommen bei einer Veranstaltung Kosten wie Künstlergage, Gema, lokale Kosten wie Halle, Technik, Security und vieles mehr zusammen. Als Veranstalter selbst würde man im Optimalfall eine Gage von 10 bis maximal 15 Prozent bekommen. Mit 25 Prozent Auslastung zu rechnen ist komplett illusorisch und auch nicht fair gegenüber den freien Künstlern und Veranstaltern.“

Er fügt hinzu: „Ich verstehe die Notwendigkeit der Einschränkungen und stehe dahinter, dass man diese Regelung bei Großveranstaltungen zur Sicherheit aller einführt, aber: Während Theaterbetriebe und kleine Veranstalter gewissenhaft mit einem sorgfältig erstellten Hygienekonzept arbeiten und nur noch 25 Prozent am Publikum haben dürfen, sind bei Fußballspielen wie an vergangenen Wochenenden die Arenen voll. Das ist dann die Stelle, wo einfach die Relation fehlt.“ Bei den Veranstaltungen, die stattfinden konnten, wie Open-Air-Konzerte im Sommer oder das Restart Kultur mit gut 80 Veranstaltungen konnte man beobachten, dass die Besucher sehr zögerlich mit der Rückkehr in die Kulturstätten umgehen. „Wir haben gute Konzepte, die funktionieren. Trotzdem waren viele Konzerte für den gebotenen Wert zu schlecht besucht. Viele Menschen sind natürlich unsicher, die Regeln ändern sich ja auch ständig und tragen zu dieser Verunsicherung bei. Die Zahlen lassen immer mehr nach. Die große Gefahr besteht, dass sich die Menschen entwöhnen, dabei ist doch gerade Kultur und Geselligkeit ein großer Teil dessen, was das Leben lebenswert macht.“

Fehlende Hilfen vom Staat Es fehlt die Hilfe des Staates. „Wir haben im Sommer gut 130 Veranstaltungen organisiert mit dem Wissen, dass sie wirtschaftlich eigentlich nicht kalkulierbar sind. Trotzdem war es uns nach 16 Monaten Berufsverbot für die Branche ein Anliegen wieder zu starten und auch einen wichtigen solidarischen Impuls zu geben – ein Neustart für die Künstler, die Techniker, die Security-Mitarbeiter, Catering und viele mehr. Wir haben die Veranstaltungen daher mit den Wirtschaftshilfen kalkuliert, die Markus Söder und Olaf Scholz damals „unbürokratisch und sofort ausgezahlt“ uns allen versprochen hatten. Die Anträge haben wir im August rausgeschickt – und sitzen nun auf der Wartebank.“

Es gehe dabei nicht um Gewinn, sondern darum, die Kosten zu decken, um auch weiterhin den Kulturschaffenden eine Perspektive zu bieten. „Diese Warteposition ist deprimierend und nicht fair.“ Darüber hinaus seien die Antragsvorgänge für die Hilfen höchst aufwendig und ein bürokratischer Dschungel. „Wir mussten einen Mitarbeiter darauf ansetzen, nur die vorgegebenen Formulare auszufüllen. Zusätzlich haben wir einen Steuerberater und Buchhalter gebraucht. Wie beispielsweise freie Künstler diesen Aufwand bestreiten sollen, kann ich mir kaum vorstellen.“

Wunsch an die Politik

Wie kann die Politik helfen? „Zum ersten brauchen wir eine klare, transparente und einheitliche Kommunikation“, wünscht sich Wolfgang Heyder. „Es kann nicht sein, dass jede Kommune, jedes Landratsamt Unterschiede macht und die eh schon schwierige Situation in einen Irrgarten verwandelt wird. Nur ein Beispiel: Wir hatten drei Leistungssportler, die positiv auf Corona getestet wurden. Zwei in Bamberg und einer in Coburg. Dank Impfung waren die Symptome nur sehr gering und sie waren schnell wieder auf den Beinen.“ Während die beiden Bamberger ganze 14 Tage in Quarantäne mussten und sich auch trotz vieler negativer Tests nicht frei testen konnten, kam der Coburger bereits nach sieben Tagen aus der Quarantäne raus.

„Da wäre eine klare Kommunikation und gleiche Behandlung der Sachverhalte hilfreich. Vor allem, wenn es um eine klare Strategie der Öffnung im kommenden Jahr geht.“ Der zweite Punkt als Hilferuf an die Politik betrifft die wirtschaftlichen Hilfen. „Die Branche ist stillgelegt. Bis es wieder losgeht, wird es definitiv März werden. Der Staat muss wirtschaftliche Hilfen zur Verfügung stellen, sonst verschwindet der eine oder andere Veranstalter von der Bildfläche. Das wäre fatal!“

Wie wichtig ist die Kultur-Branche? Wolfgang Heyder: „Kultur ist kein Luxus, sondern notwendig! Sie gehört in all ihren Ausprägungen zum Leben dazu, trägt zur Bildung bei und gibt den Menschen immer wieder positive Impulse. Wir sind da für die Unterhaltung, für die Kreativität, für die Horizonterweiterung, die Ideenfindungen! Natürlich kann man eine gewisse Zeit lang ohne Kultur auskommen. Aber wenn wir das alles verlieren – Künstler, Musik, Kabarettisten –, dann wäre die Gesellschaft um einiges ärmer.“


Text: Lukas Pitule
Fotos: Thomas Obermeier und dpa